Die neue Seite ist online auf
http://kissingenstrasse12.de/

Zukünftig sind wir nur unter ".de" erreichbar.
Viel Spaß beim Entdecken!

Dienstag, 24. Mai 2011

Die Durchstarter

Im vergangenen Schuljahr wurden an der RLO die letzten Schnellläufer aufgenommen. Es ist das Ende eines Experimentes und der Beginn eines Neuen.

Neulich unterhielt ich mich mit einer Freundin über die Schule,  das Abitur, die Schnellläufer. Ich erzählte ihr, dass es diese bald nicht mehr geben wird. Stattdessen eine neue „Spezies“, die so genannten Schnelllerner. Sie sagte, dass sie froh sei über die Abschaffung der Schnellläufer. Schließlich fühle sie sich erst jetzt, im stolzen Alter von 18 Jahren, überhaupt reif genug, gewisse Dinge richtig einzuschätzen. Meine Freundin wird im Alter von 20 Jahren ihr Abitur ablegen. Sie hat 13 Jahre in der Schule verbracht, zwischendurch noch eines im Ausland.
Das brachte mich zum Nachdenken. Ich werde mit 16 den Großteil der Abiturprüfungen bestreiten, und, wenn alles gut läuft, gerade 17 werden, wenn ich mein Abiturzeugnis in der Hand halte. Im nächsten Jahr werde ich mit zwei- bis zweieinhalb Jahre älteren Schülern in einem Kurs sitzen. Ich bin Schnellläuferin. Statt 12 oder gar 13 Jahren drücken wir die Schulbank gerade mal 11 Jahre lang.

Der „Schulversuch zur Individualisierung des gymnasialen Bildungsgangs“  startete in Berlin 1993, an der RLO 1996. Er beinhaltet das Überspringen der achten Klasse, wobei deren Stoff in den vorherigen Schuljahren behandelt werden sollte.  Das führte teilweise zum Auslassen einiger Themen in verschiedenen Fächern. Gerade in Geschichte ist das deutlich zu spüren. Als die allgemeine Herabsetzung der Schulzeit von 13 auf zwölf Jahre, auch bekannt als G8, 2005 in Berlin eingeführt wurde, hatten die Schnellläufer nun nur noch 11 Jahre Zeit für den Stoff. Kritik wurde laut: Die Schüler seien überfordert, hätten viel zu viele Hausaufgaben und damit keine Freizeit. Wer noch nicht volljährig ist, kann im Rahmen eines Freiwilligen Sozialen Jahres nicht im Ausland arbeiten. 15 oder 16- Jährige könnten sich nicht auf ihre Prüfungen konzentrieren, weil sie noch viel zu sehr mit der Pubertät beschäftigt sind. Wie schwer diese Argumente wirklich wiegen, hängt sicher von jedem Schüler individuell ab. Was allerdings nicht stimmt, ist, dass die Schnellläufer keine Zeit mehr für außerschulische Aktivitäten wie Sport oder Musik hätten. Ein Großteil der Schüler der RLO hat Hobbies.
In den letzten Jahren nahmen dann die Anmeldezahlen für die sonst so beliebten Gymnasien mit „Expressabitur“ ab. Bildungssenator Zöllner sah den Grund dafür im Überspringen der achten Klasse und gab den Weg frei für die Entwicklung des Konzeptes der „Schnelllerner“.
Die Schüler der RLO, die momentan die 5. Klasse besuchen, sollten eigentlich die letzten sein, die noch die achte Klasse überspringen. Aufgrund des Wunsches von Schülern und Eltern wurden auch sie schon zu Schnelllernen. Diese „Spezies“ überspringt die achte Klasse nicht und hat, weil der Stoff trotzdem etwas komprimiert wird, weniger Unterricht. In der frei gewordenen Zeit besuchen die Schüler Kurse, die sie selbst wählen können. Dazu gehört ein ganzjähriger Kurs, in dem man zum Beispiel ein neues Streich- oder Blasinstrument erlernt oder naturwissenschaftliche Phänomene erforscht. Parallel dazu besuchen die Schnelllerner vier epochale, also kürzere Kurse pro Schuljahr. Angeboten werden unter anderem „Programmieren mit Lego“, „Entwickeln eines Sportspiels“, „Schreibwerkstatt“ und „Mathematische Knobeleien“. Die Kurse finden während der Schulzeit statt und sind Bestandteil des Unterrichts. Der Vorteil an diesem System ist die hohe individuelle Ausrichtung. Bestimmt findet jeder Schüler einen Kurs, der ihm gefällt. Das Aufnahmeverfahren für die fünften Klassen, bestehend aus Wertung von Notendurchschnitt und „Intelligenztest“,  bleibt  unverändert.
Trotz allem - ob nun früh- oder unreif - ich bin froh über meine nur 11jährige Schulzeit. Ich kann mir nicht vorstellen, noch ein Jahr länger Fächer zu besuchen, die ich in Gedanken schon längst abgeschrieben habe, oder ein weiteres Jahr im geschlossenen Klassenverband zu verbringen. Das mag gewiss nicht jedem Schnellläufer so gehen. Und sicher ist der Schulstress für die Schnelllerner geringer - und der Spaßfaktor in den Kursen höher. Alles Gute den Neuen!

von Josephine

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen