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Montag, 9. Mai 2011

Der Online-Roman Teil 3

RÜCKBLICK AUF KAPITEL 2 : Im Wald kommt es zu einem Kampf zwischen mir und dem anderen Wolf. Er haut mich k.o. und ich wache im Krankenhaus wieder auf, mache mir Vorwürfe wegen Alice, die ja zwangsläufig tot sein muss. Das glaube ich jedenfalls, bis sie in meinem Zimmer auftaucht.

Ich konnte es noch gar nicht fassen. Alice war Augustin entkommen.
 Sie lebte! Sie atmete, ihr Blut floss lebendig durch ihre Venen, und sie stand neben mir, mit einem Lächeln auf den roten Lippen, eine strahlend gelbe Rose in den vor ihrem Schoß gefalteten Händen. Und obwohl sie froh war, weinte sie. Vielleicht auch gerade deshalb. Sie bemerkte, dass ich wach war, und winkte mir vorsichtig zu, wobei ihr eine, zwei Tränen über die Wangen rannen.
 Auch ich winkte ihr.
 »Hey«, sagte ich und brachte anstatt eines Lächelns nur ein leicht verzerrtes Grinsen zustande. Ich kam mir total draufgängerisch vor.
 »Hey«, wimmerte sie, und der Rest ging in einem allgemeinen Geschluchze unter. Sie ließ ihre Handtasche samt der schönen Blume auf den Boden fallen, als sie sich auf mich stürzte, und mir dann in einer Mischung aus Lachen und Weinen in den Armen lag. Einige Minuten vergingen so. Dann erhob sie ihren Kopf und schaute mir in die Augen. Sie hatte so wunderschöne blaue Augen.
 »Wie geht’s dir?«, erkundigte sie sich.
 »Den Umständen entsprechend«, erwiderte ich. Es tat gut zu wissen, dass sich jemand um einen Gedanken machte. Doch diese Zuneigung war mir nicht lange vergönnt, denn schlagartig wechselte sie das Thema, ohne dabei den Blick von meinen Augen zu nehmen.
 »Was ist letzte Nacht passiert? Glaub ja nicht, dass ich mich mit einer Kleinkinderlüge wie Das-hast-du-dir-sicher-bloß-eingebildet abspeisen lasse. Ich weiß ganz genau, was ich gesehen habe.«
 »Was genau glaubst du denn gesehen zu haben?«, entgegnete ich ausweichend. Ein vorwurfsvoller Blick aus ihren Augen erinnerte mich daran, dass sie sich auf diesem Weg niemals, und unter keinen Umständen, zufriedengeben würde.
 »Was ist dort geschehen? Glaubst du etwa, ich wäre so einfältig, mir das alles selbst einzureden? Oh nein, mein Freund, so kommst du mir nicht davon. Also gut: Wer war das auf der Lichtung?«
 Ich wusste, es hätte keinen Sinn, ihr die Wahrheit vorzuenthalten, aber die ganze Wahrheit ihr zu erzählen hatte ich dennoch nicht die Absicht. Das wäre ja noch schöner, ein Mensch, obendrein noch ein Mädchen, das sowieso jedes Geheimnis das noch eines war, mit sämtlichen bekannten teilte. Und dann war sie auch noch zur Krönung meine Freundin. Na toll. Dann fangen wir mal an, den Ast, auf dem wir sitzen, hinter uns abzusägen. Den Ast eines zweitausend Jahre alten Riesenmammutbaumes, und glaub mir, da runterzufallen ist nun wirklich kein schönes Erlebnis.
 »Nun…ein alter Bekannter. Kein guter Freund, oh nein. Aber das hast du ja gestern Nacht miterlebt.« Ich wollte sie nicht belügen. Lügen mochte ja ganz hilfreich sein, aber sie war nicht blöd. Sie würde das mitkriegen und tierisch sauer werden. Um sie anzulügen, dafür kannte ich sie schon zu lang.
 Sie lachte bitter.
 »Ja, vielen Dank. Hätte ich mir fast selbst denken können.«
 »Dann frag mich doch bitte ganz konkret, was du gern wissen möchtest. Das macht es für meinen angeschlagenen Kopf einfacher«, konterte ich.
 Mit einem Mal verflog ihre bissige Stimmung und machte großen, verständnislosen und ängstlichen Augen Platz. Sie strich sich eine dunkle Haarsträhne aus dem Gesicht und beugte sich vor, die Pupillen immernoch angsterfüllt geweitet.
  Dann hauchte sie: »Was bist du?«
Ich hatte mich schon gerade dazu durchgerungen, ihr mein wahres Selbst zu enthüllen, da brach ich schon wieder zusammen.

Ein weiteres Mal musste ich ganz und gar nicht erfreut feststellen, dass ich nicht bei mir zu Hause, sondern in einem Krankenhauszimmer aufwachte. Auch diesmal war ich allein. Alice musste das Zimmer bereits verlassen haben. Gerade als ich mich aufsetzen wollte, um mich umzusehen, stürmte ein überaus unausgeschlafen aussehender junger Arzt durch die milchige Glastür in meinen Raum. Ich ließ mich sofort wieder auf die Liege zurückfallen, was mein Schädel mit einigen sehr unangenehmen Empfindungen quittierte.  In den Händen hielt er ein vollgestopftes, ungeordnetes Klemmbrett, in dem er hastig hin und her blätterte. Er raufte sich auf dem Weg von allerhöchstens fünf Metern mindestens zehnmal die Haare, was schon eine Kunst für sich sein muss. Als er dann endlich an meinem Krankenbett ankam, fuchtelte er wie ein Bekloppter mit Händen und Füßen und was-weiß-ich-noch-was herum und hechelte in einem hektischen, kurzatmigen Tonfall los: »Guten Tag, der junge Herr. Mein Name ist Doktor Selphard, ich bin von nun an für Ihre beste Genesung verantwortlich. Und um gleich mal mit Ratschlägen anzufangen, Sie sollten sich am besten keinerlei körperlicher Belastung aussetzen. Das soll heißen, dass Sie für einige Zeit an dieses Bett gefesselt sein werden, und dabei bleiben Sie bitte so gut es geht in einer liegenden Haltung. Sprechen nur, wenn notwendig. Soweit alles klar? «
 Um den Befehlen meines Arztes gleich Folge zu leisten, nickte ich nur beiläufig, statt ihm zu antworten, wobei ich ein abfälliges Zwinkern nicht unterdrücken konnte. Und in diesem Blick steckte etwas zu viel von dem Dunkel, von den Schatten, die in meiner Seele nisteten. Denn ich konnte im Spiegelbild in der Glastür sehen, dass meine Augen in diesem Moment im Farbton meiner Wolfsaugen, orange, aufleuchteten. Und dass war meinem Doktor Selphard nicht entgangen. Er war nicht sehr viel älter als ich und konnte sich wohl kaum besser kontrollieren. Einen Bruchteil eines Augenblicks bleckte er die Zähne, die spitz im bleichen Leuchtstofflicht schimmerten.
 Ich musste grinsen.  »Wenn das nicht mal richtig geil ist.«

Mein Privatheiler ein Werwolf. Das war jetzt aber wirklich zum Lachen. Erst bin ich selbst einer, dann werd ich von einem attackiert, und dann soll mich einer wieder zusammenflicken.
 Doch zum Lachen war mir nicht zumute. Ich wusste nicht, wie lange mein letzter Zusammenbruch her war, und Alice hatte ich seitdem auch nicht mehr gesehen, noch nicht einmal von ihr gehört. Das war mir auf eine beklemmende Art und Weise unangenehm, denn sie wusste es im Prinzip ja noch gar nicht richtig, wusste nichts über all die zwielichtigen Gestalten, die wir waren, und Halbwissen ist gefährlicher als Unwissen.

 So vergingen ein paar Tage, ohne dass sich etwas änderte. Auszubrechen versucht hatte ich noch nicht, dazu fühlte ich mich noch nicht stark genug. Dafür war ich heute Morgen mit einer Nachricht von Alice auf meinem Beistellschränkchen aufgewacht. Da lag wieder eine gelbe Rose, und eine zusammengerollte Zeitung, und ein kleines hellgelbes Merkzettelchen, auf dem in ihrer geschwungenen Handschrift stand: Wenn du das liest, dann ruf mich bitte sofort an. PS: guck mal, die Schlagzeilen. Tut mir echt leid, aber ich konnte sie nicht aufhalten.
 Alice

Ich befolgte ihren Rat mit der Zeitung, und gleich auf der Titelseite stand fett gedruckt:- VOR WÖLFEN WIRD GEWARNT! JUNGE SCHWER VERLETZT IM WALD AUFGEFUNDEN. Seine Freundin ruft die Polizei  und er kann gerettet werden. Überall ist Blut, und es deutet alles auf wilde Tiere hin. Die Aussagen der beiden liegen aufgrund der schweren Verletzungen des Jungen noch nicht vor. Weiter auf Seite 13.-
 Ich muss wohl nicht erwähnen, wer jetzt ganz gehörig bis zu den Ohren in Schwierigkeiten steckt.

von Jones Aman

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