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Donnerstag, 3. März 2011

Leben wir in einer Diktatur des Kapitals?

Parole: Betten raus!

Neulich schreckte ich aus einem bösen Albtraum auf. Ich hatte geträumt, ein fieser Zwerg mit roter Zipfelmütze stünde neben meinem Bett und drohte mir anklagend mit dem Finger: „Du hast zu viel Geld!“ Ich erschrak, verwickelte den roten Kerl jedoch sofort geschickt in eine Diskussion: „Wie? Ähm, warte mal…“
Er: „Du bist ein schlechter Mensch.“ Das tat mir auf einmal sehr weh. Ich: „Warum? Nur weil ich es habe und du nicht?“ Er: „Nee, weil du es geklaut hast.“ „Ach so, na hör mal, also das mit der GEZ, das ist jetzt so eine Sache…“

„Ruhe!“, schrie er, all mein Besitz sei Diebstahl und damit basta. Naja, wollte ich noch sagen, das stimme doch so nicht, denn für mein Geld würde ich schließlich arbeiten, das tue ich für mich, ein bisschen Spaß macht es mir auch, also nichts Schlechtes dabei, eigentlich. Ich wollte ihn noch fragen, wie er denn auf so etwas komme, aber da hatte sich mein Traum schon in Luft aufgelöst. Zurück blieb ich in meinem Bett, welches ich anscheinend auch irgendwie irgendwem gestohlen haben soll. Muss man sich für sein Bett rechtfertigen?
Das Geld und ich waren bisher eigentlich immer Partner gewesen. Gewiss, es ist bisweilen etwas sprunghaft. Trotzdem hatten wir eine gute Zeit, eine fast symbiotische Beziehung. Leider war ich wohl immer mehr der Bestimmer-Typ gewesen. Der Mensch hat das Geld geschaffen, verfügt daher über das Geld und nicht umgekehrt. Außer wenn er pleite ist. War also der Traum die Rache meines Partners, des Geldes?
Als ich mittags die Straße vor meinem Haus entlang lief, tönte es plötzlich: „Wir brauchen eine neue Ordnung, wir brauchen eine Kulturrevolution!“ Meine Schritte beschleunigten sich, denn er war mir irgendwie unheimlich, dieser asiatisch aussehende, rote Wichtel. Was er sagte, hatte ich schon einmal gehört, nur wo, wusste ich nicht mehr. Ich möchte mich für meinen Privatbesitz nicht rechtfertigen müssen. Oder dafür, dass ich Viagra kaufe und Florian Silbereisen mag. Es gibt so viele Dinge, die nicht rechenschaftspflichtig sind. Die Stimme, die ich bei einer Wahl abgebe, ist ein einfaches Beispiel. Geld, welches ich auf ehrliche Weise erworben habe, ein weiteres. Trotzdem muss ich mich an einen Tisch setzten und der Behauptung, dass wir in einer Diktatur des Kapitals leben, auseinander setzten. Dies zeigt sehr gut den Ernst der Überzeugung.
Jedoch liegt diese vielfach einfach im Neid begründet. Während sich viele noch um Leit- und Streitkultur zoffen, ist in Deutschland auch längst die Neidkultur anzutreffen. Keiner ist zufrieden. Deshalb darf man sich ruhig den erstbesten Sündenbock suchen. In unser Demokratie, die neben einer über sechzig Jahre währenden Friedensperiode und einem vergleichsweise großem Wohlstandszuwachs für alle Beteiligten eigentlich nur soziale Ungerechtigkeit und Leid hervorgebracht hat, sind das natürlich die inkompetenten, aber reichen Repräsentanten des Volkes, dazu die blutsaugenden Besserverdienenden, die Wirtschaftsweisen, diese komischen Kerle, alles total unsozial hier. Auf die dünne Stimme, die sagt, wer mehr verdient, zahlt auch mehr Steuern und gibt so einen Teil seines erwirtschafteten Geldes an die Gesellschaft zurück, auf diese Stimme hört keiner mehr. Warum auch? Die Behauptung, wir alle würden in einer Kleptokratie leben, klingt doch wesentlich spannender.
Schließlich traf ich, von der Arbeit erschöpft, am frühen Abend vor dem Supermarkt noch auf meinen dritten und letzten Nemesis. Der Elf stand neben einer roten Gulagkanone1 und schwenkte ein Glas Wodka. Netterweise machte er mich darauf aufmerksam, dass ich bloß eine Marionette des Geldes bin. Als ich nach oben sah, waren die bösen Euros anscheinend schon verschwunden, als hätte es die heimtückischen Herrscher und Puppenspieler nie gegeben. Außerdem wurde ich momentan sowieso her vom Hunger gelenkt, was mir der Ethikexperte vom Stammtisch rotrevolutionärer Fabelwesen partout nicht abnehmen wollte.

von Straße 103

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