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Montag, 19. September 2011

Alle Charaktere und Handlungsstränge sind frei erfunden

Mittwochs auf RTL:

9.30 Uhr: Mitten im Leben!
15.00 Uhr: Verdachtsfälle
16.00 Uhr: Familien im Brennpunkt
20.15 Uhr: die Super-Nanny
21.15 Uhr: Raus aus den Schulden

Auf RTL II:

9.00 Uhr: Frauentausch
11.00 Uhr: Big Brother
12.00 Uhr: X-diaries – love, sun & fun
13.00 Uhr: Privatdetektive im Einsatz
17.00 Uhr: Family stories

Und das sind nur Auszüge aus dem alltäglichen Fernsehprogramm.
Was diese Serien und hundert andere auf den verschiedensten Kanälen gemeinsam haben? Ihr Genre. Die Rede ist von sogenannten Doku-Soaps.
Der Begriff „Doku“ wird dabei eher zweckentfremde  als richtig verwendet, nur der kleine Anhang „Soap“ macht deutlich dass die Serien keineswegs Produkte der Realität, sondern drehbuchgesteuerte Geschichten mit gecasteten Amateuren sind.
Mit Gerichtssendungen wie Richterin Barbara Salesch hat es angefangen; als man darin die Quotenfänger und neue Geldquellen entdeckte, wurden immer mehr produziert und die Konsequenz kann man in jeder Fernsehzeitschrift oder am Anfang des Artikels lesen.
Unterschieden wird dabei zwischen den unterschiedlichsten Typen von Doku-soaps, manche bestehen zu 100 % aus Script und Schauspielern, für andere kann sich jeder bewerben und das Kamerateam rückt dann zuhause an.
Die Themen sind dabei auch ganz verschieden, manchmal stehen im Mittelpunk Menschen mit „unnormalem“ Verhalten, die resozialisiert werden müssen, meistens durch die Hilfe einer Diplompädagogin oder eines Erziehungscamps. Oder aber einzelne Personengruppen werden aus ihrem normalen Umfeld gerissen und von der restlichen Gesellschaft für einen bestimmten Zeitraum isoliert, sie werden fast ununterbrochen dabei gefilmt wie sie sich untereinander verhalten, und müssen regelmäßig Prüfungen unter extremsten Bedingungen bestehen, wobei die Menschen sowohl physisch als auch psychisch gefordert werden können. Eine andere beliebte Thematik ist die filmische Begleitung eines bestimmten Prozesses, eines Wandels, den ein Mensch durchmacht. Dieser Wandel kann sich auf alles Mögliche beziehen, ob die Person nun umzieht, einen neuen Lebenspartner sucht, auswandert oder abnehmen will – die Kamera ist in allen prägenden Situationen dabei.
Die letzte Rubrik ist die wahrscheinlich am häufigsten vertretene und diejenige, die auch manchmal mit einer von den anderen dreien in Verbindung steht. Hierbei wird die Person die im Mittelpunkt steht bei ihrem (vermeintlich) alltäglichen Leben gefilmt.
Wie man also erkennen kann, Doku-Soaps sind vielfaltig und fast auf jedem Sender in irgendeiner Form vertreten.
Die Realität wird nachgestellt, eingefangen und verformt. Verzerrt und entstellt, beinahe bis zur Unkenntlichkeit
Was die Illusion der authentischen Familientragödien stört ist die kommentierende Stimme aus dem off und die eingeschnittenen Interviews der Akteure, die erstaunlicherweise schon im Voraus wissen dass ihnen nach der Werbung etwas Schlimmes passieren wird.
Durch Kommentare der Mitmenschen, unkontrollierte Gefühlsausbrüche oder dramatische Musik werden die Gefühle, die der Zuschauer empfinden sollte, vorbestimmt, die Sympathie wird von Anfang an auf eine bestimmte Person(engruppe) konzentriert und auch die Antihelden sind schon von Anfang an gekennzeichnet .Die Doku-Soaps spielen nicht nur mit Klischees und Stereotypen, sie verwenden ausschließlich diese.
Doch die Menschen verfolgen das Schauspiel trotzdem über ihre Fernseher, bis zu 30 % der 14 bis 49- Jährigen. Und die anderen 70 % ?
Die meisten die ich befragt habe gaben an kein Interesse an solchen Sendungen zu haben. Dennoch kennt sie jeder von uns und beim Durchzappen bleibt man das ein oder andere Mal vielleicht doch kurz hängen – um zu gucken ob Mandys Ex nun wirklich der Vater ihres Kindes ist oder ob Chantals Stiefvater eine Affäre mit ihrer besten Freundin hat.
Was also reizt die Zuschauer daran so etwas zusehen?
Einfach nur die bloße Unterhaltung durch die mäßig gute Darstellungsweise oberflächlicher Themen? Oder die beruhigende Erkenntnis dass das eigene Verhalten, die eigenen Probleme, die eigene Familie doch nur halb so wild sind? Und das Wissen, dass man natürlich niemals so sein wird wie die Menschen die im Fernsehen bloßgestellt werden?
Alle machen sich darüber lustig, keiner würde zugeben dass er solche Sendungen gut findet oder regelmäßig guckt. Man findet es „unzumutbar“ und “schwachsinnig“.
Doch nicht nur unter dem Publikum finden sich Kritiker, auch seriöse Dokumentarfilmer finden es nicht in Ordnung dass ihr oberstes Gesetzt, die Realität nicht zu manipulieren, sondern unverzerrt an die Zuschauer weiterzugeben,  gebrochen wird.
Unter den mitspielenden Personen finden sich im Nachhinein ebenfalls viele, die mit der Art wie sie dargestellt werden,  nicht zufrieden sind. Nicht nur dass laut Vertrag sämtliche Rechte an dem Videomaterial abgegeben werden müssen; Persönlichkeitsrechte werden verletzt, die Privatsphäre nicht beachtet und das gefilmte Material so geschnitten, dass die Wahrheit vollkommen verzerrt wird.
Wo keine Konflikte sind werden welche  inszeniert indem man professionelle Schauspieler engagiert die die anderen Menschen provozieren und so Konflikte hervor beschwören, wo vorher keine waren. Wird die Handlung zu langweilig, reißt man Szenen aus dem  Zusammenhang und schneidet sie neu zusammen.
Warum heutzutage so viele Menschen an dieser nachgestellten Realität interessiert sind ist nicht so leicht zu beantworten. Liegt es daran dass ihnen die Dramatik in ihrem Leben fehlt? Dass sie sich nach Mitmenschen sehnen und deshalb den fremden Lebensabläufen im Fernsehen folgen? Dass die Familien generell kleiner werden und man die Tratsch - und Klatsch - Portion nicht mehr auf diesem Wege erhält? Liegt es daran, dass das Zwischen-menschliche in der Zeit des Internets zu kurz kommt?  Oder haben sie alle einen voyeuristischen Drang entwickelt?
Das kann ich leider nicht beantworten.
Doch ich finde darüber sollte man nachdenken. Teilt uns eure Meinung mit,  hinterlasst Kommentare oder beobachtet mal aufmerksamer was ihr euch so anseht…
Ob die übergewichtige, fernsehsüchtige Mutter mit ihrer Großfamilie, der alkoholkranke, nikotinsüchtige Arbeitslose mit seiner Frau oder die junge, schwangere Schulabbrecherin mit ihrem Ex-freund – alle streiten sich mit allen. Die Realität wird  ein wenig spannender dargestellt als sie wirklich ist und tausende von Menschen verfolgen das auf dem Bildschirm. Nur der kleingedruckte Satz im Abspann verrät: „Alle Charaktere und Handlungsstränge sind frei erfunden.“

von Lilian Hurst

2 Kommentare:

  1. Anonym13:23

    Schöner Text (obwohl das meiste schon bekannt war), aber ein bisschen auf die Zeichensetzung hätte man achten können...es ist wirklich schwieriger zu verstehen, was gemeint ist, wenn man neben- nicht von hauptsätzen unterscheiden kann :)

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  2. MädchenMorgenBlütenTräume10:22

    ich finds gut dass das mal aufgegriffen wurde...es ist momentan ja relativ aktuell und man kann förmlich zusehen wie sich das fernsehprogramm danach ausrichtet...und ist auch gut geschrieben.

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